Warum Deutschland zwar Öl hat – aber kein Ölland ist

Deutschland hat Öl. Genauer gesagt: Es hatte es schon, lange bevor man überhaupt wusste, was sich damit anfangen lässt. Und doch: Während im Nahen Osten gewaltige Felder seit Jahrzehnten sprudeln und die USA mit Schieferöl neue Rekorde jagen, bleibt Deutschland ein Randakteur. Warum eigentlich? Gehen wir ein paar Millionen Jahre zurück.


1. Als Niedersachsen noch Meeresboden war

Vor etwa 150 bis 250 Millionen Jahren war das heutige Norddeutschland Teil eines flachen, warmen Binnenmeeres – ideal für das, was man in der Geologie eine „organische Suppe“ nennt. Plankton, Algen, Mikroorganismen: Sie starben, sanken auf den Meeresboden und wurden unter Sauerstoffabschluss mit Ton und Schlamm überdeckt.

Diese tonigen Sedimente bildeten das sogenannte Muttergestein – eine Art Erdölvorstufe voller organischer Stoffe, die im Laufe von Jahrmillionen unter Druck und Temperatur zu flüssigen Kohlenwasserstoffen umgewandelt wurden.

Doch damit Öl entsteht, reicht das Muttergestein nicht. Es braucht:

  • ein Speichergestein (meist poröser Sandstein),
  • eine undurchlässige Deckschicht (z. B. Ton oder Salz),
  • und idealerweise eine geologische Struktur, in der sich das Öl sammeln kann.

Und all das gibt es – besonders in Niedersachsen. Deshalb wurde hier schon im 19. Jahrhundert nach Öl gebohrt. Meist nicht spektakulär, aber immerhin erfolgreich.


2. Warum hat Deutschland dann kein Ghawar?

Wenn Deutschland also über die geologischen Zutaten verfügt – warum gibt es hier keine Superfelder wie im Nahen Osten? Die Antwort liegt in Größe, Struktur und Geschichte der Lagerstätten.

a) Das Gestein ist hier… sagen wir: unordentlicher

Im Nahen Osten oder Teilen der USA lagerten sich über Millionen Jahre homogene Karbonatschichten ab – meter- bis kilometerdick, flach, stabil, weitgehend ungestört. In diesen Gesteinen kann sich das Öl wunderbar sammeln. Und – noch besser – man kann sie leicht und effizient durchbohren, auch horizontal über weite Strecken.

Deutschland hingegen liegt geologisch betrachtet in einem sehr bewegten Gebiet. Faltungen, Salzstrukturen, alte Vulkane, Hebungen und Senkungen: Die Sedimente wurden gestaucht, gekippt, gestört – ein geologisches Patchwork.

Das bedeutet: Öl gibt es, ja – aber es liegt zersplittert in kleinen Taschen, oft tief im Untergrund, oft in schlechter Qualität, schwer zugänglich.

b) Die Bohrtechnik stößt an Grenzen

In homogenen Lagerstätten kann man mit horizontalen Bohrungen Kilometer für Kilometer durch ein ölführendes Gestein fahren – das bringt gewaltige Fördermengen pro Bohrung.

In Deutschland ist das anders. Weil die ölführenden Schichten oft gefaltet, geneigt oder unterbrochen sind, bleibt meist nur die vertikale Bohrung. Man zapft also eine einzelne, punktuelle Stelle an. Das ist technisch aufwendiger, riskanter – und bringt deutlich weniger Ertrag.


3. Fördert Deutschland heute noch Öl?

Ja – wenn auch auf niedrigem Niveau. Niedersachsen ist nach wie vor das Zentrum der deutschen Ölproduktion. Die größten Felder befinden sich rund um Emlichheim, Mittelplate, Völkersen oder Dollbergen.

Und tatsächlich wird auch heute noch exploriert, also nach neuen Lagerstätten gesucht – z. B. mit seismischer Messung oder Reanalysen alter Daten. Meist geht es aber nicht um neue große Felder, sondern um:

  • Nacherkundung älterer Lagerstätten,
  • Restölgewinnung mit neuen Methoden,
  • oder das Testen von tieferen oder übersehenen Schichten.

Es gibt auch Überlegungen zu Tight-Oil oder anderen unkonventionellen Vorkommen – aber geologisch (und gesellschaftlich) ist das in Deutschland bisher eine Randnotiz.


Fazit: Viel Aufwand für wenig Öl

Deutschland hat die geologischen Zutaten für Öl – nur eben in kleinen Portionen, tief verpackt und geologisch kompliziert. Die Speichergesteine sind oft fragmentiert, die Struktur der Felder komplex. Moderne horizontale Bohrtechnik, wie sie im Nahen Osten oder den USA große Fördermengen ermöglicht, ist hier kaum einsetzbar.

Rein technisch betrachtet ist das deutsche Erdöl also ein Rohstoff der Mühen. Förderung ist möglich, ja – aber nicht im großen Stil. Und mit Blick auf die Zukunft bleibt das eher eine geologische Fußnote als ein Rohstoffkapitel.

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