Ölpreis-Pingpong: Warum die USA fürs Fracking lieber Krieg hätten – aber irgendwie auch nicht

Die Sache ist einfach: Laut Bank of America braucht die US-Ölindustrie einen WTI-Preis von mindestens 65 Dollar, um rentabel zu laufen. Darunter wird zwar weiter gebohrt – aber eher aus Trotz als aus Freude. JP Morgan dagegen sieht den Preis demnächst eher bei 60 Dollar. Und genau dort dümpelte er die letzten Monate auch herum – von April bis Juni lag der WTI konstant unter dieser Profitgrenze. Nicht dramatisch drunter, aber eben dauerhaft unter den magischen 65.

Für die amerikanische Frackingbranche ist das wie Dauerlauf mit Knieverletzung: es geht irgendwie, aber keiner weiß, wie lange. Die großen Konzerne können sich mit Hedges über Wasser halten, doch die kleineren Player? Die starren auf den Ölpreis wie auf einen schlechten Wetterbericht.

Jetzt kommt die geopolitische Komponente ins Spiel. Als es im Juni wieder Spannungen im Nahen Osten gab, schoss der WTI-Preis prompt auf über 73 Dollar – ein Segen für alle, die mit Bohrinseln ihr Geld verdienen. Und hier kommt die altbekannte Mär um die Ecke: „Die Amis machen das doch mit Absicht, um den Ölpreis hochzuhalten!“ – ein Klassiker unter den Stammtisch-Analysen.

Aber: Das ist ökonomisch ziemlicher Quatsch. Klar, höhere Preise wären für viele US-Fracker angenehm. Aber ein absichtlich inszenierter Krieg, nur um den Barrelpreis um 10 Dollar zu heben? Viel zu teuer. Nicht nur finanziell – auch politisch. Hohe Ölpreise sind in den USA extrem unbeliebt. Kein Präsident gewinnt Wahlen mit teurem Sprit, selbst wenn Texas dabei brummt. Außerdem ist die Frackingbranche nicht mächtig genug, um so einen Kurs durchzudrücken – viele Betreiber sind selbst dauernd am Rande der Insolvenz, nicht an geheimen Weltlenkungsplänen beteiligt.

Und nicht zuletzt: Kriege sind keine verlässliche Ölpreisstrategie. Der Preis kann steigen, kann aber auch durch wirtschaftliche Unsicherheit oder globale Rezession wieder fallen. Es ist ein Pokerspiel mit viel Einsatz – und niemand mit wirtschaftlichem Sachverstand würde ernsthaft glauben, dass Washington es bewusst dafür in Kauf nimmt.

Zurück zur Lage: Der Markt tanzt derzeit zwischen 60 und 75 Dollar, je nachdem ob gerade irgendwo was brennt oder nicht. Für die USA heißt das: Fracking bleibt gerade noch tragfähig, aber Expansion sieht anders aus. Nur ein echtes Preissignal über 75 Dollar würde Investitionen anfeuern – doch das braucht entweder eine massive Angebotsverknappung oder einen echten Krisenschub. Beides ist – freundlich gesagt – nicht ganz planbar.

Also, wo stehen wir?

  • Die US-Produktion kann bei 60 Dollar noch mitspielen, aber nicht glänzen.
  • Der WTI lag die letzten Monate dauerhaft unterhalb der Profitgrenze für viele Förderer.
  • Geopolitische Krisen helfen kurzfristig, sind aber kein Geschäftsmodell.
  • Und die Theorie vom absichtlich erzeugten Krieg für Frackinggewinne? Wirtschaftlich unlogisch, politisch toxisch, praktisch absurd.

Fazit: Fracking lebt, aber nicht gesund. Der Ölmarkt bleibt volatil, politisch geladen und technisch kompliziert. Wer einfache Antworten will, bekommt sie meistens von Leuten, die keine Bohrkostenkalkulation lesen können.

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