Es ist eine der seltsamsten, aber auch langlebigsten Zweckbeziehungen des 20. und 21. Jahrhunderts: Die Allianz zwischen den USA und Saudi-Arabien. Gegründet auf einem Handschlag zwischen Präsident Roosevelt und König Ibn Saud 1945 – mitten auf einem amerikanischen Kriegsschiff. Der Deal war simpel: Sicherheit gegen Öl. Und diese Formel hat sich, trotz zahlreicher Krisen, bis heute erstaunlich gut gehalten.
1945: Der Deal auf der USS Quincy
Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wollte Roosevelt den Zugang zu den riesigen Ölvorkommen der Arabischen Halbinsel sichern. Im Austausch für militärischen Schutz versprach er Ibn Saud, die USA würden sich für die Interessen seines Landes starkmachen – besonders in Bezug auf Palästina. Roosevelt sicherte dem König schriftlich zu, dass die USA keine Entscheidungen treffen würden, die den arabischen Interessen ohne vorherige Konsultation schaden. Ein symbolisches Versprechen – denn sein Nachfolger Truman ignorierte es nur Wochen später. Das war der Anfang vom Misstrauen.
Mehr hierzu findest du in einem anderen Beitrag.
1973: Öl als Waffe – Das Jom-Kippur-Embargo
Die Freundschaft bekam ihren ersten echten Riss, als Israel im Jom-Kippur-Krieg gegen Ägypten und Syrien kämpfte – mit amerikanischer Militärhilfe. Die OPEC unter saudischer Führung reagierte mit einem Ölembargo gegen die USA und weitere westliche Staaten. Die Ölpreise vervierfachten sich, es kam zu Schlangen an Tankstellen, Autofreien Sonntagen und Panikkäufen. Zum ersten Mal wurde klar: Öl ist mehr als nur ein Rohstoff – es ist eine Waffe.
Trotzdem blieb die Allianz bestehen. Warum? Weil der Westen keine Alternative hatte – und weil die Saudis trotz Wut auf US-Israel-Politik keine wirtschaftliche Selbstzerstörung wollten. Also schluckten beide Seiten den politischen Frust – und machten weiter.
1990er: Schutzmacht USA & der Golfkrieg
Als Saddam Hussein 1990 in Kuwait einmarschierte, bat Saudi-Arabien die USA um Hilfe. Washington ließ sich nicht zweimal bitten. Hunderttausende US-Soldaten wurden stationiert, militärische Basen gebaut – die USA wurden zur Schutzmacht der Saudis. Gleichzeitig wurde das Königshaus aber auch intern immer angreifbarer – islamistische Strömungen sahen in der US-Präsenz eine Entweihung heiliger muslimischer Stätten.
2001: 9/11 – Freunde mit bitterem Beigeschmack
15 der 19 Attentäter von 9/11 stammten aus Saudi-Arabien. Das hätte eigentlich das Ende der Allianz sein können. Doch das Bündnis blieb bestehen – aus geopolitischem Kalkül. Die USA wussten: Ohne Saudi-Arabien keine Stabilität in der Golfregion. Und ohne saudisches Öl keine Stabilität an den US-Zapfsäulen. Während viele Amerikaner wütend auf das Königshaus blickten, hielten Politik und Militär weiter Kurs.
2010er–heute: Fracking verändert das Spiel – aber nicht das Bündnis
Mit dem Fracking-Boom wurden die USA unabhängiger. Sie produzierten plötzlich selbst mehr Öl als die Saudis. Trotzdem blieb das Bündnis bestehen. Warum?
Weil es längst nicht mehr nur ums Öl geht. Iran, Jemen, Waffenverkäufe, gemeinsame Interessen gegen den politischen Islamismus – all das bindet Washington und Riad weiterhin zusammen.
2018–heute: Mord, Trump und das „Business as usual“
Ein besonders düsteres Kapitel der US-saudischen Beziehung begann 2018 mit dem brutalen Mord an dem regimekritischen Journalisten Jamal Khashoggi im saudischen Konsulat in Istanbul. Westliche Geheimdienste – allen voran die CIA – kamen zu dem Schluss: Der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman (MBS) war direkt involviert.
Die Welt empörte sich. Sanktionen wurden diskutiert. Doch die USA unter Präsident Donald Trump zeigten eine andere Reaktion: Rhetorisch empört, praktisch desinteressiert. Trump stellte öffentlich klar, dass Saudi-Arabien ein zu wichtiger Waffen- und Ölpartner sei, als dass man wegen „eines Journalisten“ das Bündnis aufs Spiel setzen könne.
Zitat Trump: „They spend $400 billion in our country… I’m not going to destroy the economy of our country by being foolish with Saudi Arabia.“
Klartext: Wirtschaft und geopolitische Interessen standen über Moral. Und genau das ist die Essenz dieses Bündnisses seit 1945.
Wie ging Joe Biden damit um?
Unter Joe Biden gab es zunächst schärfere Töne, sogar ein kurzer diplomatischer Frost. Aber auch Biden reiste 2022 nach Saudi-Arabien, wegen Öl, Inflation und globaler Energiekrise. Das Verhältnis ist kühl, aber strategisch weiterhin zu wichtig für eine Trennung.
Gerade jetzt, wo China und Russland auf dem internationalen Parkett aggressiver auftreten, brauchen die USA ihren alten Partner im Nahen Osten mehr denn je – selbst wenn das Vertrauen längst Risse hat.
Im Grunde genommen also ebenso „Business as usual“ wie Trump, aber anders verpackt.
Fazit: Moral kostet, Öl auch
Der Fall Khashoggi hat gezeigt, wie weit die USA bereit sind, ihre eigenen Werte zugunsten strategischer Interessen zu relativieren.
Trotz wachsender Spannungen, wachsender Autonomie durch Fracking, und wachsender Zweifel an den Saudis – das Bündnis steht noch. Wackelig, zynisch, aber funktional.
Denn wenn Geschichte eines gezeigt hat: Solange Öl Macht bedeutet, wird Moral zweitrangig bleiben.
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