Nicht jedes Öl ist gleich. Auch wenn der Begriff „Rohöl“ im Alltag wie ein Standardprodukt klingt, ist das, was aus der Erde gefördert wird, in Wahrheit eine unglaublich vielfältige Substanz. Wie dieses Öl aussieht, wie es sich verhält und was es überhaupt wert ist, hängt maßgeblich von seinen physikalischen Eigenschaften ab – insbesondere von Viskosität, API-Wert, Dichte und auch vom Schwefelgehalt.
Die Viskosität beschreibt, vereinfacht gesagt, wie zähflüssig ein Öl ist. Leichte Rohöle, wie sie etwa in Saudi-Arabien oder den USA vorkommen, sind nahezu wasserähnlich in ihrer Fließfähigkeit. Schwere Öle oder Bitumen hingegen, wie man sie etwa in Kanada oder Venezuela findet, erinnern eher an zähen Sirup oder Teer. Diese Eigenschaft ist entscheidend: Ein dünnflüssiges Öl lässt sich relativ einfach durch poröses Gestein bewegen und fördern, oft sogar mit reinem Reservoirdruck. Schweres Öl hingegen bleibt regelrecht „kleben“ und erfordert thermische Verfahren wie Dampfinjektion, um es überhaupt aus dem Gestein zu lösen. Der Energieaufwand steigt, ebenso die technischen Anforderungen – und damit natürlich auch die Kosten.
Eng verknüpft mit der Viskosität ist der sogenannte API-Wert – ein Industriestandard, der das spezifische Gewicht des Öls im Vergleich zu Wasser beschreibt. Ein hoher API-Wert steht für leichtes, dünnflüssiges Öl, ein niedriger für schweres, dickflüssiges. Als Faustregel gilt: Rohöle mit einem API-Wert über 30 gelten als leicht und sind auf dem Weltmarkt besonders begehrt, da sie sich einfacher verarbeiten lassen. Je niedriger der API-Wert, desto komplexer die Raffinierung, desto mehr Energieaufwand, und desto geringer oft der Marktpreis.
Eine weitere entscheidende Eigenschaft ist der Schwefelgehalt. In der Fachsprache unterscheidet man zwischen „süßem“ (sweet) und „saurem“ (sour) Rohöl. „Süß“ bedeutet dabei nicht etwa genießbar, sondern: Das Öl enthält weniger als 0,5 % Schwefel. Solches Öl ist besonders beliebt, weil es weniger korrosiv ist, sich einfacher verarbeiten lässt und bei der Verbrennung weniger Schadstoffe freisetzt. „Saures“ Öl dagegen hat einen höheren Schwefelgehalt, riecht bei der Förderung oft unangenehm (nach faulen Eiern) und erfordert in der Raffinerie aufwendige Entschwefelungsprozesse. Der Begriff stammt tatsächlich aus einer Zeit, in der man Öl noch wortwörtlich auf der Zunge testete – süßes Öl schmeckte dabei weniger scharf.
Wie unterschiedlich diese Eigenschaften in der Praxis aussehen können, zeigt ein Blick auf reale Rohölsorten:
Rohölsorte | Herkunft | API-Wert | Schwefelgehalt | Charakteristik | Raffinerieaufwand |
---|---|---|---|---|---|
Brent | Nordsee | ca. 38 | ~0,4 % (süß) | Leicht, süß, stabil | Einfach, sehr gefragt |
WTI | USA (Texas) | ca. 39.6 | ~0,24 % (süß) | Sehr leicht, sehr süß | Hochwertig, exportfähig |
Arab Light | Saudi-Arabien | ca. 33–35 | ~1,8 % (leicht sauer) | Leicht, leicht schwefelhaltig | Gut verarbeitbar |
Maya | Mexiko | ca. 22 | ~3,3 % (sauer) | Schwer, schwefelreich | Nur für komplexe Raffinerien geeignet |
Western Canadian Select (WCS) | Kanada | ca. 20–22 | ~3,5 % (sauer) | Sehr schwer, sehr viskos | Raffinierung teuer & CO₂-intensiv |
Basrah Heavy | Irak | ca. 23 | ~3,2 % (sauer) | Schwer, relativ hoher Schwefelgehalt | Eher niedriger Marktpre |
Auch in der Förderung zeigen sich die Unterschiede deutlich. Leichtes Öl kann man oft mit vertikalen Bohrungen aus relativ flachen Tiefen erschließen. Schieferöl oder schwereres Öl hingegen sitzt oft in komplexeren geologischen Strukturen, benötigt horizontale Bohrungen, Fracking, Dampfinjektion oder gar Lösungsmittel, um mobilisiert zu werden. Die Technologie passt sich also an das Öl an – nicht umgekehrt.
In der Raffinerie machen sich all diese Unterschiede stark bemerkbar. Leichte, süße Öle liefern besonders einfach veredelte Endprodukte wie Benzin, Kerosin oder Diesel. Bei schweren, sauren Ölen muss man nicht nur die großen Moleküle chemisch aufbrechen (Cracking), sondern gleichzeitig auch noch hohe Mengen Schwefel entfernen – was energieaufwendig, teuer und emissionsintensiv ist. Entsprechend fallen die Marktpreise aus: Für „schlechtes“ Öl gibt es weniger Geld, trotz teilweise riesiger Vorkommen.
Diese technischen Unterschiede sind keine bloßen Fußnoten der Ölförderung, sie bestimmen, wie rentabel ein Vorkommen ist, welche Fördertechnologie benötigt wird und wie flexibel ein Land auf Preisveränderungen am Markt reagieren kann. Man kann sie nicht wegverhandeln – sie sind in der Physik des Öls selbst verankert. Und genau deshalb lohnt sich ein genauer Blick auf die Eigenschaften dessen, was wir da eigentlich fördern.
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