ERoEI – wieso der sinkende ERoEI (noch) nicht das Ende bedeutet

Wenn man sich mit der Energieeffizienz von Öl beschäftigt, stößt man irgendwann unweigerlich auf den Begriff ERoEIEnergy Returned on Energy Invested. Dazu gibt es bereits einen Beitrag in diesem Blog.
Vereinfacht gesagt: Wie viel Energie bekomme ich aus einer Quelle, verglichen mit der Energie, die ich aufwenden muss, um sie zu erschließen?

Klar ist: Der ERoEI klassischer Ölquellen – vor allem in den USA und im Nahen Osten – ist über die letzten Jahrzehnte gesunken. Früher bekam man für jede eingesetzte Energieeinheit in Saudi-Arabien teils über 100 zurück, heute liegt der Wert eher bei 10 bis 15 – Tendenz fallend. Klingt dramatisch? Ist es in gewisser Weise auch. Aber es wäre zu kurz gedacht, daraus abzuleiten, dass uns das Öl morgen ausgeht oder die Welt stillsteht.

Technik schläft nicht

Ein wesentlicher Grund, warum der sinkende ERoEI nicht gleichbedeutend mit dem Ende der Ölnutzung ist, liegt in der technologischen Entwicklung. Horizontalbohrungen, 4D-Seismik und intelligente Bohrköpfe erlauben es, schwierige Felder effizienter zu erschließen. Wo früher viel mehr Aufwand nötig war, schafft moderne Technik heute mit weniger Energieeinsatz das Gleiche – oder sogar mehr.

Ein gutes Beispiel sind sogenannte Digitale Zwillinge: Komplette Felder werden simuliert, um die optimale Bohrstrategie zu finden. Fehlbohrungen oder suboptimale Förderraten werden dadurch deutlich seltener. Der Effekt? Ein indirekter Zugewinn an ERoEI.

Das Öl verbrennt sich nicht mehr selbst

Noch vor einigen Jahrzehnten wurde ein Teil des geförderten Öls direkt wieder verbrannt – etwa für den Betrieb von Pumpen oder zur Dampferzeugung bei der Förderung. Heute setzen viele Länder – etwa der Oman – auf Solarenergie zur Unterstützung der Ölförderung. Das mag paradox klingen, ist aber effizient: Wenn man kein Öl braucht, um Öl zu fördern, bleibt mehr für den Export oder andere Nutzungen übrig

Mehr aus weniger

Ein weiterer Lichtblick: Während die großen „easy oil“-Felder langsam weniger werden, nimmt die Fähigkeit zu, kleinere Felder wirtschaftlich zu betreiben. Früher hätte sich die Förderung solcher Vorkommen nicht gelohnt, heute machen modulare Plattformen, neue Bohrtechniken und bessere Logistik auch kleinere Projekte rentabel – und oft sogar nachhaltiger im Energieeinsatz.

Die Rolle der Technik: Puffer – aber kein Retter

An dieser Stelle könnte man argumentieren: „Wenn wir doch mittlerweile so effizient Öl fördern können und bessere Bohrtechnik, Datenanalyse und Automatisierung haben – kompensieren wir damit nicht den Rückgang durch Technologie?“

Das stimmt teilweise. Technologien können den Aufwand pro gefördertem Barrel Öl senken – ökonomisch. Sie können helfen, schwer zugängliche Felder zu erschließen oder Verluste zu reduzieren. Aber:

Der physische ERoEI sinkt trotzdem weiter.

Warum? Weil wir uns energetisch gesehen an die Reste machen: tiefere Lagerstätten, schwereres Rohöl, kompliziertere Geologie. Der einfache, leicht sprudelnde Rohstoff ist Vergangenheit. Das bedeutet: Selbst mit Hightech bleibt das Verhältnis von Energieinput zu Output ungünstiger als früher – auch wenn sich die Rechnung auf dem Papier noch lohnt.

Wichtiger Unterschied: Energetische vs. wirtschaftliche Betrachtung

  • Aus wirtschaftlicher Sicht kann ein Projekt „profitabel“ sein, auch wenn der ERoEI schon sehr niedrig ist – wenn z. B. der Ölpreis hoch genug oder staatliche Subventionen greifen.
  • Aber aus energetischer Sicht ist ein sinkender ERoEI ein Warnzeichen: Weniger Nettoenergie für Industrie, Transport, Landwirtschaft etc.

Das Gesamtbild: Noch tragfähig, aber nicht auf ewig

  • Der globale durchschnittliche ERoEI von Öl liegt heute laut Studien unter 20:1, mit weiter sinkender Tendenz.
  • Viele neu erschlossene Quellen (z. B. Schieferöl, Tiefsee) bewegen sich bereits im Bereich von 4–7:1.
  • Wirtschaftlich geht das derzeit noch gut – aber energetisch bedeutet es einen schrumpfenden Nettoüberschuss.

Technologie kann den Rückgang abfedern, aber nicht umkehren. Der ERoEI verhält sich wie ein Tachometer: Selbst wenn wir die Straße besser asphaltiert haben (Technik), wird die Steigung nicht flacher – wir verbrauchen mehr Energie, um voranzukommen.

Und trotzdem: Es gibt auch gute Nachrichten

Moderne Fördertechnik, Digitalisierung und neue Energiemix-Strategien (z. B. Kombi aus Solar und Öl) verlängern die Lebensdauer bestehender Quellen. Und sie machen es möglich, auch Felder wirtschaftlich zu nutzen, die früher unrentabel gewesen wären.
Die spannende Frage lautet nicht: „Wie lange reicht es noch?“ – sondern: Wie gehen wir mit dem verbleibenden Spielraum um? Der sinkende ERoEI mahnt zur Weitsicht, nicht zur Panik. Er erinnert uns daran, dass Effizienz und Übergang zu alternativen Energien keine Lifestyle-Option sind, sondern eine schlaue strategische Entscheidung.

Oder anders gesagt: Wir haben noch Zeit. Aber wir sollten sie nutzen.

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