Der Druck macht’s: Warum Öl nicht einfach „hochblubbert“

In der Popkultur sieht man es immer wieder: Jemand schlägt einen Bohrturm in den Boden – und schon schießt eine schwarze Fontäne Öl in den Himmel. Das ist spektakulär, aber auch irreführend. In der Realität braucht es weit mehr als ein Loch, damit Öl überhaupt fließt – und das entscheidende Element dabei ist: Druck.

Formation Pressure – das Herz des Reservoirs

Tief unter der Erdoberfläche liegt das Öl nicht in unterirdischen Seen, sondern fein verteilt in den Poren von Gestein – wie Wasser in einem Schwamm. Was das Öl daraus bewegt, ist der Formation Pressure, also der natürliche Druck, der sich im Gestein über Millionen Jahre aufgebaut hat – durch das Gewicht darüberliegender Sedimente, durch eingeschlossenes Gas oder thermische Ausdehnung.

Ist der Druck hoch genug, kann das Öl durch eine Bohrung auf natürliche Weise fließen. Doch dieser Druck ist nicht ewig stabil: Mit jeder Tonne gefördertem Öl sinkt er – manchmal rapide.

Wenn’s kracht: Blowouts und Sicherheitsbarrieren

In manchen Fällen ist der Formation Pressure so hoch, dass das Anbohren eines Reservoirs gefährlich wird. Wenn die Bohrung nicht sauber kontrolliert wird, kann der Druck die Kontrolle übernehmen – und dann kommt es zum Blowout: eine unkontrollierte Freisetzung von Öl, Gas oder Schlamm. Extrem gefährlich, potenziell explosiv – und verheerend für Mensch, Umwelt und Industrie. Genau das geschah beispielsweise bei der DeepWater Horizion Explosion im Golf von Mexiko. Dabei schossen Öl, Gas und Schlamm aus dem Bohrloch und entzündeten sich. Mehr dazu in einem separaten Blogbeitrag.

Um das zu verhindern, gibt es zwei technische Schutzmechanismen, die in jeder Tiefbohrung Standard sind:

1. Die Bohrspülung („Drilling Mud“) – die unsichtbare Barriere

Während des Bohrens wird ständig eine spezielle Flüssigkeit – die Bohrspülung – durch das Bohrgestänge in das Loch gepumpt. Sie erfüllt gleich mehrere Aufgaben:

  • Sie kühlt und schmiert das Bohrwerkzeug.
  • Sie transportiert Gesteinsbruchstücke (Cuttings) aus dem Loch heraus.
  • Vor allem aber erzeugt sie hydrostatischen Druck, der dem Formation Pressure entgegenwirkt.

Der Druck der Spülung lässt sich durch ihre Dichte genau einstellen – je dichter die Spülung, desto höher der Gegendruck. Eine „zu leichte“ Spülung würde das Reservoir nicht im Zaum halten – eine „zu schwere“ kann das Gestein zerbrechen. Deshalb wird sie laufend angepasst, überwacht und – wenn nötig – mit schweren Mineralien wie Barit angereichert.

2. Der Blowout Preventer (BOP) – das letzte Sicherheitsventil

Direkt über dem Bohrloch sitzt der BOP, ein massives hydraulisches Sicherheitssystem. Man kann sich das wie einen überdimensionierten Hochdruck-Ventilkasten vorstellen, der bei Gefahr das Bohrloch blitzschnell verschließt. Es gibt mehrere Typen:

  • Ram BOPs: Zwei gegenüberliegende Stahlblöcke („Rams“) fahren auf Knopfdruck zusammen und klemmen das Bohrgestänge oder verschließen das Loch vollständig.
  • Annular BOPs: Eine Art elastischer Dichtungsring, der sich um jedes Werkzeug oder Rohr zusammenzieht und abdichtet.
  • Moderne BOP-Anlagen haben mehrere solcher Systeme übereinander gestapelt – redundante Sicherheit.

Wenn der Druck im Loch plötzlich ansteigt (ein sogenannter „Kick“), greifen automatische Sensoren oder der Bohrmeister manuell ein – und der BOP wird aktiviert. Im Idealfall stoppt er das Ganze, bevor überhaupt etwas an die Oberfläche tritt.

Ohne Druck kein Fluss – mit Druck kein Spielraum

Aber selbst wenn alles glatt läuft, reicht der natürliche Druck eines Reservoirs nur für einen Bruchteil des förderbaren Öls. Der Großteil muss mit Druckunterstützung mobilisiert werden – durch Wasser-, Gas- oder CO₂-Injektion. Nur so lässt sich das Öl im Gestein überhaupt in Bewegung bringen. Ohne diese Techniken würden die meisten Lagerstätten wertlos bleiben.

Die Realität ist also weit entfernt vom „Ölquellen-Sprudel“-Mythos: Öl fließt nicht einfach. Es wird gezwungen – unter hohem Aufwand, mit großer Präzision, und vor allem mit der ständigen Gefahr, dass der Druck die Oberhand gewinnt.

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