Warum viele Erdölvorkommen in Deutschland ungenutzt bleiben (und warum das gar nicht so absurd ist, wie es klingt).
Man möchte meinen, wenn irgendwo in Niedersachsen ein paar Millionen Barrel Öl im Boden schlummern – schön konserviert in sandigen Schichten unter 3.000 Metern – dann wäre es aus wirtschaftlicher Sicht nur logisch, diese auch zu fördern. Energie! Geld! Jobs! Aber in Deutschland läuft das nicht so. Im Gegenteil: Viele potenzielle Vorkommen bleiben bewusst unangetastet. Warum?
Weil wir zwar unter der Erde einiges an Potenzial haben – aber über der Erde noch viel mehr Regeln, Verfahren und politische Bauchschmerzen.
Fangen wir mit dem Bergrecht an, das auf dem sogenannten Bundesberggesetz (BBergG) basiert. Wer in Deutschland Bodenschätze fördern will – egal ob Öl, Gas, Lithium oder Erdwärme – braucht eine Aufsuchungserlaubnis und später eine Förderbewilligung. Das ist noch halbwegs logisch. Der Haken liegt im Detail.
Denn: Diese Genehmigungen bekommt nicht derjenige, der am lautesten ruft oder zuerst bohrt, sondern der, der „die beste Eignung“ mitbringt – also wirtschaftlich, technisch und umweltrechtlich. Und selbst nachdem die Förderung bewilligt wurde, müssen zig weitere Einzelgenehmigungen eingeholt werden: Naturschutzrecht, Wasserrecht, Bauplanungsrecht, Kampfmittelräumung, Denkmalschutz, vielleicht noch ein Fledermausgutachten.
Ökonomisch sinnvoll? Na und.
Allein das Umweltverträglichkeitsverfahren (UVP) kann Jahre dauern – und ist für Erdölförderung ab bestimmten Schwellen verpflichtend. In der Zeit kann der Ölpreis schon wieder gefallen, die Bohrtechnik überholt oder das politische Klima toxisch geworden sein.
Viele Projekte sterben schon in der Antragsphase. Und das ist kein Zufall. In einer Gesellschaft, die sich der „Energiewende“ verschrieben hat, will niemand Schlagzeilen lesen wie „Neues Ölfeld bei Celle entdeckt“. Politisch toxisch. Wahltechnisch Selbstmord. Kommunen fürchten Bürgerproteste. Investoren fürchten Verfahren ohne Ende. Und viele Unternehmen schauen direkt ins Ausland – wo man für denselben Aufwand gleich ein ganzes Ölfeld bekommt.
Und wenn doch jemand fördert?
Dann unterliegt er strengen Förderauflagen, Sicherheitsverordnungen, Rückbauverpflichtungen und natürlich auch staatlicher Kontrolle. Kein „Texas-Style Drilling“. Deutschland mag Öl, aber bitte nur unter deutscher Bürokratie.
Was viele nicht wissen:
Deutschland könnte seinen Bedarf theoretisch zu 5–10 % aus eigenen Quellen decken. Der technische Aufwand wäre machbar, die Felder sind da. Aber ob sie erschlossen werden dürfen, hängt vom politischen Klima ab – nicht vom geologischen. Und dieses Klima ist, sagen wir mal, eher wolkig bis neblig, was fossile Ambitionen betrifft.
Der Elefant im Raum: die Vergabepraxis.
Lizenzen zur Aufsuchung werden in Deutschland nicht versteigert, sondern vergeben. Das bedeutet: Der Staat prüft Anträge einzeln, oft ohne Transparenz. Es gibt kaum öffentlichen Druck oder Berichtspflichten, keine großen Auktionen wie in Norwegen oder Brasilien. Man will eben keinen Run auf Ressourcen – das wäre politisch schwer zu verkaufen in einem Land, das gleichzeitig CO₂-neutral werden will.
Fazit?
Deutschland hat Erdöl. Deutschland könnte es fördern. Aber Deutschland will es nicht – oder nur dann, wenn es niemand mitbekommt.
Ob das langfristig klug ist, lässt sich streiten. Aber wenn man konsequent dekarbonisieren will, ist das eine nachvollziehbare Strategie.
Wirtschaftlich allerdings ist es eine Einladung an andere Länder, unsere Abhängigkeit weiter zu belohnen.
No responses yet