Man muss sich das wirklich mal auf der Zunge zergehen lassen: Wir leben in einer Welt, die Flugzeuge bauen kann, die autonom landen. Die mRNA-Impfstoffe in Rekordzeit entwickelt. Die Quantencomputer und Marsrover entwickelt – aber wenn es darum geht, sich aus der fossilen Falle zu befreien, lautet der große Masterplan: Wird schon irgendwie.
Klingt übertrieben? Ist es leider nicht.
Denn so beeindruckend unsere technologische Leistungsfähigkeit ist, so grotesk planlos agieren wir, wenn es ums große Ganze geht: Wie ersetzen wir Öl und Gas – nicht nur im Stromsektor, sondern auch im Verkehr, in der Chemie, im Bauwesen, in der Landwirtschaft, in der Schwerindustrie? Wie halten wir globale Lieferketten am Laufen, wenn Treibstoffpreise explodieren oder schlicht nichts mehr gefördert wird? Was tun wir, wenn Öl zwar noch da ist, aber so teuer, dass niemand es sich mehr leisten kann?
Die Antwort der Weltgemeinschaft darauf: Abwarten, vielleicht fällt jemandem was ein.
Keine Steuerzentrale in Sicht
Was wir derzeit haben, sind hunderte Papiere, Absichtserklärungen, Pilotprojekte, Ankündigungen und Versprechen.(Siehe mein letzter Beitrag über den Stand 2025) Die EU bastelt an einem grünen Umbau, die USA schmeißen mit Subventionen um sich, China macht alles gleichzeitig – vom Kohlekraftwerk bis zur grünen Supermacht. Afrika steht in vielen Teilen noch ganz woanders und hofft, überhaupt erstmal Strom zu bekommen.
Aber ein koordinierter, realistisch durchgerechneter globaler Plan, der aufzeigt:
- welche Technologien wann und wo greifen müssen,
- was das kostet,
- welche Kapazitäten und Rohstoffe wir dafür brauchen,
- welche Infrastruktur wir umbauen müssen,
- und wie man das alles auch noch sozial verträglich hinkriegt?
Fehlanzeige.
Stattdessen regiert ein fast naives Technikvertrauen: Wenn wir nur lange genug warten, kommt schon irgendein Wunderwerk der Ingenieurskunst um die Ecke und rettet den Laden. Spoiler: Es wird nicht passieren – nicht in dem Maßstab und nicht in der Zeit, die wir bräuchten.
Was bleibt? Verzicht. Oder Zusammenbruch.
Wenn wir keinen Ersatz haben und trotzdem weiter machen wie bisher, gibt’s am Ende genau zwei Optionen:
Entweder wir verzichten kontrolliert – also weniger Konsum, weniger Transport, kleinere Kreisläufe, bewussteres Wirtschaften.
Oder es knallt – also Zusammenbruch ganzer Lieferketten, Energieengpässe, politisches Chaos.
Das Dramatische daran: Verzicht wäre eigentlich machbar. Wir könnten Städte bauen, in denen man kein Auto braucht. Wir könnten weniger Plastik produzieren, Produkte langlebiger gestalten, Fleisch nicht mehr billig verramschen. Aber das verlangt eben politische Führung, wirtschaftlichen Mut – und eine Gesellschaft, die bereit ist, mal die Komfortzone zu verlassen.
Warum passiert nichts?
Weil niemand den Wählern sagen will, dass Wohlstand auf Pump irgendwann kippt. Weil Unternehmen nicht gerne Gewinne opfern. Und weil alle hoffen, dass das Problem „nach der nächsten Wahl“ oder „durch den nächsten Tech-Hype“ verschwindet.
In Wahrheit ist die globale Energiewende gerade ein einziges Realitätsvermeidungsprojekt in XXL. Kein Masterplan, keine echte Priorität, keine klare Führungsrolle. Nur ein ziemlich gefährliches „Augen zu und durch“.
Natürlich ist es an meiner Stelle einfach, auf Missstände hinzuweisen. Es ist leicht, aufzuzeigen, wie schlecht alles läuft, ohne wirklich Handlungsoptionen vorzugeben. Das macht diesen Beitrag unkonstruktiv, aber vielleicht gerade deshalb notwendig. Denn bevor wir über Lösungen sprechen können, müssen wir erst einmal verstehen, wie groß die Lücke zwischen Anspruch und Realität wirklich ist – und wie wenig Substanz hinter vielen der aktuellen Zukunftspläne steckt.
Was dieser Beitrag aber nicht ist: ein Teil irgendeiner Parteirede. Ich halte hier kein Wahlkampfplakat hoch, will niemanden zum Klimajünger bekehren oder in irgendein ideologisches Lager treiben. Ich schreibe das, weil ich als Physiker, als Bürger, als jemand mit einem gewissen technischen Grundverständnis der Meinung bin: Wir sollten aufhören, uns in politischen Farben zu verlieren – und anfangen, die Lage sachlich und ehrlich zu analysieren. Nicht um Panik zu machen. Sondern weil man nur dann zu echten Lösungen kommt, wenn man den Mut hat, sich vorher einzugestehen, dass es noch keine gibt.
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